Wozu dient eigentlich die fünfte Tasche einer handelsüblichen Jeans? Mit dieser Frage stimmt der Autor und Illustrator Thomas Thiemeyer die Achtklässler des Schönborn-Gymnasiums auf die Lesung aus dem ersten Band seiner Pentalogie Chroniken der Weltensucher ein. Denn der Abenteuerroman Die Stadt der Regenfresser spielt in eben der Zeit, in der auch die Jeans erfunden bzw. die ominöse fünfte Tasche angenäht wurde: gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit ist ein Journalist mit einer Tasche voller sensationeller Photographien in den südamerikanischen Anden unterwegs. Natürlich wird er verfolgt, natürlich ereilt ihn auf seiner halsbrecherischen Flucht ein Unglück und natürlich wird er von geheimnisvollen Wesen gerettet …
Mehrfach unterbricht Thiemeyer die Lektüre, um zu erklären, wie ein guter Abenteuerroman geschrieben wird: Man braucht einen Prolog, der Spannung erzeugt, wie eben die Flucht des Journalisten, aber auch einen Protagonisten, mit dem sich der Leser identifizieren kann. In den fünf Bänden der Chroniken der Weltensucher ist das der Waisenjunge Oskar, der von einem exzentrischen Forscher als Assistent angeheuert wird und diesen zur geheimnisvollen Stadt der Regenfresser begleiten soll.
Dass dieser etwas sonderbare Wissenschaftler sich einbildet, ein illegitimer Sohn des großen Alexander von Humboldt zu sein, eine Voodoopriesterin als Haushaltshilfe beschäftigt und als Haustiere Kiwis – nicht die allseits bekannten Südfrüchte, sondern die neuseeländischen Laufvögel – bevorzugt, lässt einige weitere Überraschungen im Verlauf des Romans erwarten.
Erneut legt Thiemeyer eine Pause ein, in der er berichtet, wie er zu seinem Beruf als Autor gekommen ist, von welchen Zufällen zuweilen eine Schriftstellerkarriere abhängt und wie man überhaupt vom Bücherschreiben leben kann. Es geht um Verlage und Illustratoren, Jugendbücher und Bücher für Erwachsene, Sachbücher und Romane, um Jules Verne und Jurassic Park. Und auch hier werden die Schüler immer wieder durch Fragen einbezogen und offenbaren ein Wissen, das nicht nur Thiemeyer in Erstaunen versetzt.
Und dann geht es endlich mit der Geschichte selbst weiter: Oskar und sein neuer Chef, dessen Nichte Charlotte, die Haushälterin Eliza und die bereits erwähnte Kiwidame mit dem wunderbaren Namen Wilma befinden sich auf einem schmalen Gebirgspfad, als sie plötzlich von einem riesigen Insekt angegriffen werden. Nachdem Humboldt sein gesamtes Waffenarsenal ohne Erfolg gegen das monströse Tier eingesetzt hat, kommt den beiden Frauen die rettende Idee …
Am Ende gibt es für die Schüler noch die Gelegenheit, Fragen zu stellen – eine Gelegenheit, von der so lebhaft Gebrauch gemacht wird, dass Thiemeyer die Fragerunde schließlich abbrechen muss, um noch Autogramme schreiben und wie eingangs angekündigt eine abschließende Quizfrage stellen zu können. Zu gewinnen gibt es ein Exemplar der Stadt der Regenfresser und gefragt wird nach einem Roman Jules Vernes. Schnell sind eine richtige Antwort (20.000 Meilen unter dem Meer) und eine Gewinnerin gefunden, und auch die Funktion der seltsamen fünften Tasche an der Jeans ist natürlich längst geklärt: Hier verstauen Humboldt und Jules Verne – wenn sie denn einmal Jeans tragen – ihre Taschenuhr.
(Heiko Ullrich)