Eine GFS im Fach Deutsch bietet mehr Möglichkeiten als man denkt – es muss nicht immer eine Powerpoint-Präsentation sein. Charlotte Bauer, 10c, hat den Autor Marc Buhl zu einer Lesung für alle vier 10. Klassen in die Mensa des Schönborn-Gymnasiums eingeladen. Beeindruckt hatte sie dessen Roman 375, der seinen Anfang im Stasigefängnis Hohenschönhausen nimmt. Der Besuch dieses Gefängnisses steht auch auf dem Programm der Berlinfahrt, die Charlottes Klasse in zwei Wochen unternehmen wird.
Frühjahr 1989: Paul Cremer, 22 Jahre alt, ist einer der letzten politischen Gefangenen im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen. Die Erinnerung an Hannah, seine Freundin, bietet zunächst Halt, doch mit der Zeit schwindet dieser, Akzeptanz und Gleichgültigkeit bestimmen fortan Paul Cremer. Nach seiner Entlassung geht er in den Schwarzwald, ohne je wieder Kontakt zu Hannah aufgenommen zu haben.
November 2007: Paul Cremer, Antiquitätenhändler aus dem Schwarzwald, 40 Jahre alt, schießt sich eine Kugel in den Kopf. Warum wollte er sich umbringen? Diese Frage kann er weder in der Universitätsklinik Freiburg noch in der neuropsychiatrischen Rehaklinik in Badenweiler beantworten. Die Erinnerung an die letzten 18 Jahre seines Lebens fehlen ihm völlig. Seine Ehefrau Christiane und sein 17-jähriger Sohn Thomas sind ihm völlig unbekannt. Der Inhalt eines gut verwahrten Briefumschlags bringt ihn auf die Spur zu sich selbst…
Die Erlebnisse Cremers in Hohenschönhausen als Häftling 375 sind in kleinen Stückchen in die spätere Handlung eingestreut, zwei Zeitebenen wechseln in unregelmäßigen Abständen und setzen sich sowohl für Cremer als auch für den Leser wie ein Mosaik zusammen.
Marc Buhl hat, so gibt er bereitwillig im Interview Auskunft, für seinen Roman ein Jahr lang recherchiert und zahlreiche Gespräche mit Exinsassen von Hohenschönhausen geführt. Außerdem hat er ein längeres Praktikum in einer Rehaklinik für Menschen mit Gehirnverletzungen, vornehmlich Selbstmörder und Fahrradfahrer ohne Helm, absolviert, um genau zu erfahren, was passiert, wenn einem ein Teil des Gehirns fehlt. Der Protagonist Paul Cremer ist das Ergebnis dieser intensiven Recherche.
Im souverän geführten Interview ist es Charlotte gelungen, dem Autor noch viele Informationen über sein literarisches Schaffen und die Arbeit mit Verlegern zu entlocken. Charlotte Bauer ist eine GFS gelungen, von der alle Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 10 profitieren.
(K. Ex)